Der Friede ist eine Utopie …

Von Martin Jäggle · · 2022/Jul-Aug
© Thomas Kussin

… der Krieg ist eine Realität. Diesen zu überwinden schafft nur eines: Gerechtigkeit.

Der Krieg als Realität – nicht nur der der Russischen Föderation gegen die Ukraine, der bereits im Jahre 2014 begann und durch die Invasion am 24. Februar dramatisch intensiviert worden ist.

Der Krieg kennt nur Verlierer, besonders unter den Schwachen und Verletzbaren – Menschen und Staaten – über die unmittelbar betroffenen Gebiete hinaus. Wer den Krieg beginnt, nimmt sich das „Recht des Stärkeren“ und zerstört die „Stärke des Rechts“. Der Krieg fördert Polarisierungen, verlangt nach nationalem Schulterschluss und stärkt nationalkonservative Kräfte. Redensarten wie die vom „Ausbruch des Krieges“ verharmlosen Kriege zum Naturereignis, für das nichts und niemand verantwortlich wäre. Das Prinzip des alten Rom – „Willst du den Frieden, so bereite den Krieg vor“ – erklärt Krieg zur Normalität menschlicher Kultur, als ob Kultur ohne Krieg unmöglich, ja unvorstellbar wäre.

Gewalttätiges Patriarchat. Dabei gibt es deutliche Hinweise auf kriegsfördernde Dynamiken, wie die Zentralisierung von Macht, die zu Unterdrückung und Gewalt führt. Kriegsmentalität und Frauenunterdrückung haben nach der Psychologin und Wissenschaftlerin Carola Meier-Seethaler dieselbe Wurzel und für die Autorin Hilde Schmölzer ist die Entwicklung patriarchaler Herrschaft ursächlich mit Krieg und Gewalt verbunden.

In patriarchalen Gesellschaften wird der Krieg als „Vater aller Dinge“ gehandelt. „Ist der Friede weiblich?“ fragt  Schmölzer und antwortet: „Der Krieg ist männlich, weil einseitig ausgeübte Gewalt Krieg provoziert und ermöglicht. Aber der Friede kann nicht weiblich, er müsste menschlich sein.“

Aus „Nie wieder Krieg!“ wurde gerade entsetzlich schnell parteiübergreifend „Wir müssen uns für den Kriegsfall rüsten!“. Die öffentlichen Auseinandersetzungen über Waffenlieferungen und die politischen Entscheidungen für Steigerung der Rüstungsausgaben haben friedensethische und gewaltfreie Positionen an die Wand gedrückt, die jetzt verteidigt werden müssen.

Dabei sind diese Positionen wichtig, um der Militarisierung des politischen Diskurses widerstehen zu können, und sie werden gebraucht, wenn es eines Tages einen Waffenstillstand geben wird. Dann gilt es angesichts all der Zerstörung, der Toten, Verletzten, Vertriebenen, des Hasses, der Kriegsverbrechen dem Paradigmenwechsel des 20. Jahrhunderts vom „gerechten Krieg“ zum „gerechten Frieden“ zu entsprechen und den „Frieden zu schaffen ohne Waffen“.

Gerechte Strukturen. Denn Frieden benötigt gerechte Strukturen – soziale und ökologische, politische und wirtschaftliche. Hat aber die Schaffung von Sicherheit, gerade in der Variation „Nationale Sicherheit“, absolute Priorität, etabliert es eine Politik der Angst und Gewalt, bedient die wahnsinnige Sehnsucht nach Sicherheit in unsicheren Zeiten und führt zurück zum „Gleichgewicht des Schreckens“. Demgegenüber könnte die Priorität beim Propheten Jesaja zu denken geben: „Das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein, der Ertrag der Gerechtigkeit sind Ruhe und Sicherheit für immer.“ (Jes 32,17)

Friede ist eine Utopie, über den Weg dorthin sollten wir streiten. Friede ist keine Idylle, er unterscheidet sich von Krieg nicht durch das Fehlen von Konflikten, sondern durch einen gewaltfreien, jedenfalls gewaltmindernden Umgang mit Konflikten.

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